Brüche in der MAGA-Welt

Bereits vor seinem eigentlichen Amtsantritt als 47. Präsident der USA zeigen die jüngsten Äußerungen Donald Trumps und die Reaktionen darauf in den letzten Tagen des Jahres, welch inkonsistentes und aggressives Weltbild er verfolgt und wie stark dieses tatsächlich von den Interessen seiner Wähler und den Versprechungen des Wahlkampfes abweicht. Folgende Schlaglichter der vor allem über die sozialen Medien stattfindenden Debatte um Trumps drohende Weihnachtsbotschaft und andere seiner Posts sind bemerkenswert, nachdem sie fundamentale Widersprüche der propagierten „Make America Great Again“-Agenda offenbaren:

(1) Mit der wiederholten Aufforderung an Kanada, doch der 51. Staat der USA zu werden (inklusive der despektierlichen Bezeichnung Premierminister Trudeaus als „Gouverneur“) verstärkt er nicht nur den Druck auf den nördlichen Nachbarn, Trumps wie auch immer geartetem Willen entgegenzukommen, den er bereits durch diverse Zolldrohungen aufgebaut hat. Er beschädigt damit nicht nur wirtschaftliche Interessen der Vereinigten Staaten, ein gedeihliches Verhältnis mit ihrem größten Außenhandelspartner neben Mexiko (!) aufrechtzuerhalten, sondern treibt einen politischen Keil zwischen die USA und einen ihrer geostrategisch wichtigsten Verbündeten, wohl sehr zur Freude Russlands und Chinas, ganz abgesehen davon, dass die Komplexität des Umgangs mit diesen beiden Staaten bislang kaum angemessen von der zukünftigen Administration betrachtet worden ist.

(2) Einen ähnlichen Effekt haben Trumps Äußerungen zur Wiederherstellung der US-Kontrolle über den Panamakanal, der angeblich von China zur Schwächung der US-Wirtschaft genutzt wird, und zum angestrebten Erwerb Grönlands (wie bereits in seiner ersten Amtszeit). Nicht nur würde eine militärische Aggression gegen Panama die potenzielle politische Isolation der Vereinigten Staaten unter Trump verstärken; die Weigerung der autonomen Grönländer und Dänemarks, das Gebiet an die Vereinigten Staaten zu veräußern, unterstreicht gleich zwei grundlegende Unvereinbarkeiten in der MAGA-Logik: Zum einen impliziert die offensichtliche Einschätzung Grönlands als zunehmend strategisch bedeutsam für die USA das Anerkenntnis des Klimawandels, den es laut Trump so nicht gebe. Denn schließlich basiert die zukünftig größere Rolle Grönlands im globalen Seehandel und als Rohstofflieferant ganz erheblich auf der Tatsache des Abschmelzens der Polkappen und der daraus resultierenden Zugänglichkeit zu vormals eisbedeckten Regionen. Zum anderen unterstreicht sie, dass nicht nur die NATO-Staaten die Unterstützung der USA benötigen, sondern dass auch die USA die Kooperation ihrer europäischen Verbündeten – hier Dänemark – im geopolitischen Wettbewerb vor allem auch mit China (aber potenziell auch mit Russland) brauchen, dass also das Erpressungspotenzial der US-Regierung gegenüber Europa durchaus begrenzt ist und die USA keineswegs der übermächtige Akteur sind, der den Rest der Welt durch Drohungen und Machtausspielung ohne weiteres dominieren können.

(3) Besonders augenfällig wird die sich auftuende Kluft zwischen der Weltsicht der MAGA-Community in den USA und derjenigen der zukünftigen Trump-Administration in der Auseinandersetzung um die Zuwanderung Hochqualifizierter, welche von Elon Musk und Vivek Ramaswamy insbesondere für die Tech-Branche gefordert wird. Die wütenden Reaktionen von Republikanern auf die solcherart angestrebte Förderung der Immigration insbesondere von Ingenieuren durch die designierten Chefs der zukünftigen Kommission zur Deregulierung und Senkung der Staatsausgaben in der US-Regierung zeigen nicht nur, wie stark die zuwanderungsfeindlichen, xenophoben und rassistischen Positionen der MAGA-Basis den eigentlichen Wirtschaftsinteressen der Vereinigten Staaten widersprechen, sondern auch, wie groß die Abneigung der „einfachen“ Wähler Trumps gegenüber eben denjenigen Wirtschaftsbossen und Spitzenvermögenden sind, deren monetärer Erfolg sie für Trump so attraktiv und bewundernswert macht. Deutlicher kann der Gegensatz zwischen dem „kleinen Mann“ als naivem, vorurteilsbehaftetem oder verführtem Trump-Wähler und seinem vermeintlichen, zuvörderst an sich selbst interessierten Präsidentenidol wohl kaum aufgezeigt werden. Interessanterweise erinnern die im Gang befindlichen gegenseitigen Anfeindungen der verschiedenen Flügel des Trump-Lagers in gewisser Weise an die ideologischen Kämpfe und Widersprüchlichkeiten der Anfangszeit des letztlich sowohl antisozialistischen wie antikapitalistischen Faschismus. Nicht umsonst hat sich auch Steve Bannon als quasi intellektueller Vordenker der Neuen Rechter - sozusagen der Sorel oder Gentile der Alt-Right-Bewegung - zu Wort gemeldet und gegen Elon Musk positioniert.

Die MAGA-Welt beginnt also schon jetzt zu bröckeln, und es bleibt abzuwarten, wie sich die zusätzliche Instabilität auf die innenpolitische Landschaft in den USA und die internationale Politik insgesamt im neuen Jahr auswirken werden.  

  

Literatur/Link:

Esposito, Fernando (2016): Faschismus - Begriff und Theorien. Docupedia-Zeitgeschichte, 06.05.2016, http://docupedia.de/zg/esposito_faschismus_v1_de_2016 .