METI: Wissenschaftler als Sprecher der Menschheit?

Am 12. April 2022 hat die 2015 gegründete Initiative und NGO METI International (Messaging Extraterrestrial Intelligence) bekanntgegeben, dass sie am 4. Oktober von Cornwall aus eine Radionachricht zum Sternensystem TRAPPIST-1 schicken will, das drei Planeten in der habitablen Zone aufweist (d.h. sie verfügen mit großer Wahrscheinlichkeit flüssiges Wasser und geeignete Temperaturen als Voraussetzung für Leben). Das System ist rund 39 Lichtjahre von der Erde entfernt; d.h. eine hypothetische Antwort einer außerirdischen Zivilisation wäre frühestens in etwa 80 Jahren zu erwarten. Bereits zuvor, im Oktober 2017, hatte die Organisation von Tromsø, Norwegen, ein entsprechendes Signal an den nur 12 Lichtjahre entfernten Roten Zwerg Luytens Stern gesendet, von dessen zwei bekannten, ihn umkreisenden Planeten einer in der habitablen Zone liegt.

Was auf den ersten Blick wie ein Unternehmen einer Reihe von Astrophysik-Nerds à la „Big Bang Theory“ aussieht, ist tatsächlich ein ernstgemeintes Projekt und zwar weniger von Physikern als vielmehr i.e.L. von Sozial- und Sprachwissenschaftlern sowie Künstlern und Kulturschaffenden (im Board of Directors von METI Int.  findet sich kein einziger Naturwissenschaftler oder Ingenieur, wenngleich zumindest im Beirat einige genannt werden. Ihr selbsterklärtes Ziel ist „transmitting intentional radio signals to other stars in the hope of receiving a reply. As METI searches for life beyond Earth, they also foster awareness of the challenges facing our planet today. Their motto is ’Hello, universe!’” Damit geht METI deutlich über die bereits seit den 1980er Jahren betriebene passive Suche nach außerirdischem Leben durch das Beobachten und Abhören des Weltraums hinaus (SETI - Searching for Extraterrestrial Intelligence).

Unabhängig davon, für wie realistisch man die Aussichten einer tatsächlichen Kontaktaufnahme mit Aliens hält, stellen sich bei METI zwei grundsätzliche Fragen: Erstens, wie riskant wäre eine solche Kontaktaufnahme für die Menschen, im Zweifel die Existenz der Menschheit? Diese Frage, auch unter dem Schlagwort „Dark Forest“-Problem – vom reflexhaften Misstrauen und der Angst des Menschen in unbekanntem, dunklem Terrain her – bekannt, wird in der wissenschaftlichen Debatte mangels empirischer Abschätzbarkeit entweder als irrational abgetan (z.B. Penny 2012) oder führt zur Mahnung, nicht naiv und möglichst vorsichtig und zurückhaltend zu sein. Exemplarisch für letztere Auffassung ist etwa die Position Stephen Hawkings, der 2010 davor warnte, sich einer wahrscheinlich technologisch überlegenen und – nach dem Muster der menschlichen Erfahrung – möglicherweise imperialistischen und ausbeuterischen außerirdischen Kultur zu erkennen zu geben: 

„Aliens könnten über die Erde herfallen, sich ihrer Ressourcen bemächtigen, und wenn der Planet ausgelaugt sei, würden sie weiterziehen. Hawking schließt das aus der Betrachtung unserer eigenen Art: ‚Wir müssen nur auf uns selbst schauen, um zu sehen, wie sich aus intelligentem Leben etwas entwickelt, dem wir lieber nicht begegnen möchten.’ Fortschrittliche Aliens würden wohl ein nomadenhaftes Leben führen und versuchen, alle Planeten zu erobern und zu kolonisieren, die sie finden können. (...) Darum sei es wohl ‚ein wenig zu gefährlich’, den Kontakt zu suchen. Kämen die Außerirdischen, wäre der Effekt in etwa so, wie die Landung von Christoph Columbus in Amerika – ‚und die ist den amerikanischen Ureinwohnern auch nicht bekommen’, so Hawking.“ 

Das hielt Hawking jedoch nicht davon ab, eine passive und unexponierte Suche nach außerirdischen Lebensformen zu befürworten

Neben der letztlich sicherheitspolitischen und potenziell existenziellen Frage nach möglichen Konflikten mit Aliens (und durchaus mit ihr verbunden) stellt sich zweitens das Problem der Legitimation des Vorgehens von Wissenschaftlern und Aktivisten bei METI. Gerade die potenzielle Bedeutung einer Kontaktaufnahme mit außerirdischen Zivilisation für die gesamte Menschheit wirft die fundamentale Frage auf, mit welchem Recht sich eine kleine Gruppe, welche über die technologischen (und finanziellen) Fähigkeiten dazu verfügt, anmaßt, eine solche, möglicherweise bahnbrechende Initiative voranzutreiben, ohne den Rest der Menschheit auch nur zu fragen. Hier kollidieren offenbar Normen der (wissenschaftlichen) Freiheit mit solchen der Verantwortung für Wissenschaft und der demokratischen Selbstbestimmung und Partizipation aller Menschen. Entsprechend forderten etwa Physiker der Universität Berkeley, welche mit dem SETI-Projekt befasst waren, bereits 2015 einen umfassenden Diskurs über METI: 

„METI programs carry unknown and potentially enormous implications and consequences. We feel the decision whether or not to transmit must be based upon a worldwide consensus, and not a decision based upon the wishes of a few individuals with access to powerful communications equipment. We strongly encourage vigorous international debate by a broadly representative body prior to engaging further in this activity. (...) Intentionally signaling other civilizations in the Milky Way Galaxy raises concerns from all the people of Earth, about both the message and the consequences of contact. A worldwide scientific, political and humanitarian discussion must occur before any message is sent.“

Demgegenüber zeigen Umfrageergebnisse von Hatfield/Trueblood (2020), dass „it appears the the public are happy about scientists having a key role in determining how contact with extraterrestrials is made“ (ebd, S. 6), wobei sie zugleich darauf hinweisen, dass „the process should be driven by a team of scientists nominated by different jurisdictions rather than countries (the global north, global south etc) with broad opportunities for consultation through polls and citizens’ assemblies. Ideally there would be a role for elected representatives who already specialise in science such as those who lead parliamentary select committees on science. Essentially: there is a role for scientists, individuals, referendums, and representatives in the process of designing ‘global humanitarian and political consultation’. It requires attending to the parts of SETI and METI that are technical scientific issues, how to communicate (which re- quires social science and humanities as well as science) and those of judgement, should such initiatives be undertaken in the first place, what should be said. The best balance between these different types of representation will lead to the best outcome“ (S. 5).  

Sowohl das Sicherheits- als auch das Legitimationsproblem sind offenbar Themen, welche im Kern dessen liegen, womit sich Politikwissenschaft befasst. Entsprechend sollte sie sich zukünftig stärker und ernsthaft auch mit diesen, zunächst einmal wie Science Fiction anmutenden Aspekten natur- und technikwissenschaftlicher Forschung (und Forschungspraxis) befassen. Erst dann kann man sagen, ob Gertz (2016: 31) lapidarer Schluss zutrifft: „METI is unwise, unscientific, potentially catastrophic, and unethical.“

Literatur/Links:

Azua-Bustos, Armando u.a. (2015): Regarding Messaging to Extraterrestrial Intelligence (METI) / Active Searches for Extraterrestrial Intelligence (Active SETI). SETI@Home, Universität Berkeley, https://setiathome.berkeley.edu/meti_statement_0.html .

Crawford, Ian (2021): Who speaks for humanity? The need for a single political voice. In: O.A. Chon Torres/T. Peters, J. Seckbach/R. Gordon (Hg.) Astrobiology: Science, Ethics, and Public Policy, Lowin House, UK (Scrivener Publishing): 313-338, https://eprints.bbk.ac.uk/id/eprint/46305/8/46305.pdf .

Gertz, John (2016): Reviewing METI: A Critical Analysis of the Arguments. Journal of the British Interplanetary Society 69: 31-36.

Hatfield, Peter/Trueblood, Leah (2020): SETI and Democracy. Acta Astronautica 180 (1), DOI: 10.1016/j.actaastro.2020.11.053, https://arxiv.org/pdf/2007.13515.pdf .

Penny, Alan (2012): Transmitting (and listening) may be good (or bad). Acta Astronautica 78: 69-71.

Santana, Carlos (2021): We Come in Peace? A Rational Approach to METI. Space Policy 57: 101430, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0265964621000229 

Wilson, Elspeth M./Cleland, Carol E. (2019): Should We Call E.T.? An Ethical-Political Analysis of METI. Theology and Science 17 (3): 382-394.