Trumps Außenwirtschaftspolitik: Erst Zölle, dann die Währung?
Der „Tag der Befreiung“, d.h. die Verhängung zusätzlicher US-Zölle auf Importe aus allen Ländern und Regionen, mit denen die Vereinigten Staaten ein Defizit im Warenhandel aufweisen, per Executive Order durch Donald Trump am 2. April, verrät zum einen die merkantilistische Besessenheit Trumps bezüglich des US-Handelsdefizits und des Allheilmittels Zoll, und zum anderen das mangelnde Verständnis des Präsidenten und der amtierenden US-Regierung, was die Funktionsweise und Wirkung von Zöllen bzw. die Ursachen und Relevanz des Handelsdefizits selbst angeht.
Nicht nur ist der Begriff „reciprocal tariff“ irreführend, da die Berechnungsgrundlage der neuen US-Zölle offenkundig nicht die tatsächlichen Zölle der Handelspartner ist, sondern lediglich das Verhältnis aus bilateralem US-Handelsdefizit und -Handelsvolumen (geteilt durch 2). Der Logik Trumps, wonach das US-Handelsdefizit in jedem Fall Ausdruck von unfairen Praktiken der Anderen sei (etwa durch nichttarifäre Handelshemmnisse wie Quoten, Subventionen, Gesundheits- und Produktionsstandards – man denke an die berüchtigten „Chlorhühner“) entgeht zudem, dass (1) die Vereinigten Staaten im Dienstleistungshandel teilweise deutliche Handelsüberschüsse aufweisen (die wohl als Ausdruck überlegenen Unternehmertums der USA natürlich nicht als unfair oder illegitim thematisiert werden); (2) gemäß des Theorems vom komparativen Kostenvorteil aus Spezialisierungsgewinnen resultierende Handelsbeziehungen praktisch stets zum gesamtwirtschaftlichen Vorteil aller Beteiligten sind (wenngleich nicht notwendig in gleichem Maße); und (3) mangelnde Exporterfolge von US-Gütern einfach das Resultat mangelnder ausländischer Nachfrage aufgrund von qualitativen und quantitativen Mängeln sein können, welche aus unterschiedlichen Bedürfnissen und Geschmäckern sowie Kosten stammen, wie etwa bei US-Autos, die beispielsweise in der EU kaum nachgefragt werden.
Dies führt dazu, dass die Zollpolitik Trumps zugleich zu pauschal und undifferenziert (hinsichtlich der Ursachen des US-Handelsdefizits) und zu selektiv (hinsichtlich des Fokus auf den Waren- anstelle des gesamten Außenhandels und das zentrale Instrument des Zolls) ist. Es steht zu erwarten, dass nicht nur die solcherart „bestraften“ Handelspartner, sondern auch die US-Wirtschaft und insbesondere die US-amerikanischen Konsumenten insgesamt zu den Verlierern der von Trump begonnenen Handelskriege sind, sei es durch eine noch höhere Inflation – Zölle erhöhen die Preise importierter Waren wie eine Zusatzsteuer bzw. die Substitution von Importen durch eine einheimische Produktion ist üblicherweise teurer und/oder qualitativ nachteilig (sonst gäbe es ja keine Nachfrage nach Importwaren) –, sei es durch Wachstumseinbußen durch ebenfalls reduzierte Exportchancen, wenn die betroffenen Staaten mit ähnlicher Münze antworten.
Sicherlich kann in bestimmten Bereichen mit Fug und Recht darüber diskutiert werden, ob andere Handelspartner unlautere Mittel einsetzen, welche zum US-Defizit beitragen, etwa Subventionen, günstige, staatlich abgesicherte Kredite oder niedrige Arbeitsstandards, und auch das Bestreben, strategisch wichtige Lieferketten zu verkürzen bzw. durch ein „reshoring“ der Produktion aus sicherheitspolitischen Gründen krisenfester zu machen, wie dies etwa mittels des CHIPS and Science Act von 2022 zur Förderung der Produktion von High-End-Halbleitern in den USA geschehen ist. Dass multinationale Unternehmen jedoch ihre Produktionsstätten dauerhaft in die Vereinigten Staaten verlagern und so zu einer Reindustrialisierung inklusive zahlreicher neuer Jobs beitragen, wie die Trump-Administration verlauten lässt, erfordert eine dauerhafte und berechenbare Veränderung der (betriebs-) wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, welche durch eine erratische Zollpolitik von Seiten der US-Exekutive und die zu erwartenden Gegenmaßnahmen der anderen großen Handelsmächte sicherlich nicht so gegeben sind, wie es etwa im Fall des überparteilich von Kongress beschlossenen CHIPS Act ist.
Eine nachhaltige Senkung der US-Warenhandeldefizits (ohne eine Drosselung der Importnachfrage durch Inflation und Rezession) ist daher allein durch Zölle kaum realisierbar, schon gar nicht durch Pauschalzölle ohne sinnvolle Basis wie im vorliegenden Fall. Daher gibt es Hinweise darauf, dass die Trump-Administration zukünftig auch auf eine dauerhafte Abwertung des US-Dollars setzen könnte, um Importe zu reduzieren und Exporte durch konkurrenzfähigere Preise von US-Waren auf dem Weltmarkt zu steigern. Ein solcher Druck auf den Dollar kann nicht durch eine erfolgreiche Zollpolitik gewährleistet werden, denn die damit intendierte Senkung von Importen und damit relative Erhöhung von Exporten erhöht per Saldo die Nettonachfrage nach US-Dollar und impliziert damit sogar einen Aufwertungsdruck auf die US-Währung.
Will man den Dollar aus handels- (und damit wachstums- und beschäftigungs-) politischen Gründen dauerhaft abwerten, bietet sich also an, nach finanzpolitischen Instrumenten Ausschau zu halten, und tatsächlich hat Trump bereits ein solches angekündigt, nämlich die Schaffung eines Fremdwährungs-Staatsfonds, für den die USA Euro, Yen oder Renminbi/Yuan aufkaufen sollen, etwa im Kontext des bereits bestehenden Exchange Stabilization Fund. Eine erhöhte Nachfrage nach diesen Währungen würde deren Wert gegenüber dem US-Dollar steigern und diesen entsprechend billiger machen. Allerdings müsste der Kauf auch mit US-Dollars finanziert werden, was wiederum die Staatsverschuldung und tendenziell den Inflationsdruck steigern könnte. Eine andere Möglichkeit wäre eine Senkung der Zinsen um die USA für ausländische Finanzinvestoren unattraktiver zu machen und damit die Nachfrage nach US-Dollar zu verringern. Auch hier wäre aber eine höhere Inflation die Folge, was zumindest aus innenpolitischen Gründen wenig attraktiv für die US-Administration erscheint.
Entsprechend gibt es Gerüchte, dass die US-Regierung einen unorthodoxen Weg gehen könnte, welcher quasi auf dem politischen Druck auf die großen Partnerstaaten basieren würde, etwa in Form der Drohung noch höherer Zölle oder des Entzugs des militärischen Schutzes der USA. Die vom seit März 2025 amtierenden Vorsitzenden des Council of Economic Advisors, Stephen Miran, vorgebrachte Idee eines „Mar-a-Lago Accord“ beinhaltet die Verpflichtung anderer Staaten bzw. von ihnen kontrollierter Finanzinstitutionen, die von ihnen gehaltenen US-Staatsanleihen in langfristige Papiere mit einer Laufzeit von 100 Jahren und geringer oder gar keiner Verzinsung umzutauschen. Dies soll dazu führen, dass die Nachfrage nach US-Dollars durch eine geringere Reinvestitionstätigkeit und eine zurückgehende Attraktivität von US-Staatsanleihen für ausländische Investoren sinkt.
Das historische Muster für ein solches Vorgehen ist der „Plaza Accord“ von 1985. Damals sahen sich die USA angesichts des wirtschaftlichen Aufstiegs von Akteuren wie Japan und der Europäischen Gemeinschaft mit der Bundesrepublik seit den 1970er Jahren mit einem wachsenden Handelsbilanzdefizit konfrontiert, dem mit Hilfe einer Abwertung des US-Dollar entgegengewirkt werden sollte. Hintergrund war das auf eine restriktive US-Geldpolitik und ein relativ hohes Haushaltsdefizit zurückgehende höhere Zinsniveau in den USA, welches Investoren anlockte, den Dollarkurs in die Höhe trieb und so die Handelsbilanz verschlechterte. Zwischen 1980 und 1985 gewann der US-Dollar gegenüber der D-Mark, den Yen, den Französischen Franc und dem Britischen Pfund etwa 50 Prozent an Wert. Im Plaza-Abkommen, das im September 1985 zwischen den USA, Frankreich, Großbritannien, der Bundesrepublik Deutschland und Japan abgeschlossen wurde, verpflichteten sich die Zentralbanken der G5-Länder, zugunsten insbesondere des Yen und der D-Mark in den Finanzmärkten zu intervenieren und kontrolliert US-Dollar und US-Staatsanleihen zu verkaufen, um das Angebot an US-Dollar zu erhöhen und dessen Kurs zu drücken. Im Ergebnis sank der Dollarkurs tatsächlich so weit (um ca. 40%), dass 1987 im Louvre-Abkommen die Stabilisierung der erreichten Wechselkurse vereinbart wurde.
Das Plaza-Abkommen ist einerseits ein Beispiel für eine erfolgreiche Koordination der Finanzpolitik der großen Wirtschaftsmächte und erreichte sein angestrebtes Ziel. Allerdings kam es vor allem deswegen zustande, weil die Partnerstaaten der USA den wachsenden Kapitalabfluss in die USA stoppen und härteren protektionistischen Maßnahmen der USA, welche auf Druck der US-Industrie und -Landwirtschaft immer mehr Zuspruch im Kongress erhielten, durch die Währungsintervention dann aber verhindert werden konnten. Insbesondere für Japan waren die langfristigen Folgen problematisch: Wie im europäisch-amerikanischen Handel sank zwar das Handelsbilanzdefizit der USA; dies ging jedoch primär auf einen Rückgang der japanischen Exporte zurück, die Importe aus den USA stiegen aufgrund anderer japanischer Restriktionen kaum. Die Einbußen der japanischen Exportindustrie führten demgegenüber zu einer massiv expansionistischen Geld- und Fiskalpolitik in Japan, welche schließlich zu einer Spekulationsblase führte, welche schließlich Anfang der 1990er Jahre platzte und in der Stagnation der letztlich bis heute andauernden „verlorenen Jahrzehnte“ mündete.
Heute wäre eine einfache Wiederholung des „Plaza Accords“ aus US-Sicht wenig wünschenswert, denn ein großangelegter Verkauf von US-Staatsanleihen würde zu Zinssteigerungen führen, welche bei einem Budgetdefizit von gegenwärtig etwa sieben Prozent des BIP und einer Schuldenstandsquote von etwa 120 Prozent wenig erstrebenswert erscheint, zumal Trump an einer echten Konsolidierung des Haushaltes über den wenig zielführenden DOGE-Aktivismus angesichts seiner angestrebten Steuererleichterungen für Reiche kaum Interesse haben dürfte. Und selbst wenn der unterstellte Mechanismus eines solchen „Mar-a-Lago Accord“ tatsächlich funktionieren würde, wäre ein solches Vorgehen natürlich mit einer Reihe von kontraproduktiven Konsequenzen und Risiken verbunden. So müssten die Vertragspartner zweifellos zu einem solchen Abkommen erpresst werden, da die Aussicht auf eine niedrigere oder Null-Verzinsung von Staatsanleihen und effektiven Anlageverlusten bei einem sinkenden US-Dollar sind offensichtlich finanziell völlig unattraktiv, ganz abgesehen davon, dass die Aufwertung der eigenen Währung die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Partner selbst natürlich negativ beeinträchtigen würde.
Zwei andere Aspekte spielen jedoch ebenfalls eine Rolle: Mit einem Rückgang der Möglichkeiten der US-Regierung, sich im Ausland zu verschulden, würden die USA erstens verstärkt darauf angewiesen sein, das einheimische Finanzierungspotenzial zu verbessern, sprich: die Sparquote der US-Amerikaner zu erhöhen und damit ihren Konsum zu senken, um die staatliche Kreditnachfrage zu befriedigen. Dies wiederum würde sich aber negativ auf das Wachstum auswirken; die alternative Verschuldung durch Geldschöpfung durch den Verkauf von Staatsanleihen an die US-Zentralbank wäre demgegenüber wieder inflations- und evtl. zinstreibend. Die Vereinigten Staaten würden über eine solche Dollarabwertung also wohl zum eigenen Schaden das einzigartige System internationaler Wirtschafts- und Finanzbeziehungen der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aufgeben, welches darin besteht, dass die USA zwar ein sehr hohes Handelsbilanzdefizit aufweisen, dafür aber einen extrem hohen Zustrom an Investitionen, also einen Kapitalbilanzüberschuss, mit dem erstere faktisch finanziert werden. Die von Trump anvisierte Reindustrialisierung der USA erfordert aber umfangreiche Investitionen und damit auch weiterhin einen großen Kapitalzufluss von außen.
Zweitens und damit im Zusammenhang stehend würde der US-Dollar schrittweise seinen Charakter als globale Leit- und Reservewährung verlieren, welcher letztlich auf der Größe, Stabilität und Verlässlichkeit der US-amerikanischen Wirtschafts- und Machposition in der Welt beruht. Massiver Zwang gegenüber Partnerstaaten und eine sinkende Attraktivität des unberechenbar werdenden protektionistischen Wirtschaftsstandorts Vereinigte Staaten würden dieses Fundament jedoch unterminieren. Mit einer potenziellen Umorientierung der bisherigen Wirtschaftspartner würde damit die beherrschende Rolle des US-Dollar im internationalen Währungssystem verloren gehen und damit eine zentrale Säule des einzigartigen Handlungsspielraums der USA, welche sich in der Vergangenheit beispielsweise nie Sorgen um ihre Auslandsverschuldung machen musste, nachdem diese stets in der eigenen Währung beglichen werden konnte. Ob dies im Interesse selbst der Trump-Administration sein kann, darf getrost bezweifelt werden; allerdings ist ein Versuch, so etwas wie einen „Mar-a-Lago Accord“ zu initiieren, angesichts der kurzfristigen Ausrichtung und der intellektuellen wie machtpolitischen Selbstüberschätzung der jetzigen US-Regierung wohl keineswegs auszuschließen.
Literatur/Links
Frankel, Jeffrey (2015): The Plaza Accord, 30 years later. NBER Working Paper 21813, Cambridge MA: National Bureau of Economic Research. https://www.nber.org/system/files/working_papers/w21813/w21813.pdf .
Kraemer, Moritz (2025): „Mar-a-Lago Accord“: Ein Gespenst geht um. Unorthodoxe und brandgefährliche Ideen zur Schwächung des Dollar. LBBW Research, 21. März 2025, https://www.lbbw-research-klartext-2025-kw-12_ajth4k1h3r_m.pdf .