Und noch ein "Genozid": Landreformbestrebungen in Südafrika und die Trump-Administration

Dass der Vorwurf des Völkermords mittlerweile zum Standardrepertoire polemisch-undifferenzierter und populistisch-aufgeregter Entrüstungsrhetorik gehört, ist nichts Neues. Nun vollzieht aber die US-Regierung Donald Trumps unter Verwendung des Begriffs „Genozid“ eine gewisse Wende in ihrer ansonsten so restriktiven und menschenrechtsfeindlichen Zuwanderungs- und Asylpolitik, indem sie zunächst 60 „Afrikanern“ aus Südafrika Asyl gewährt hat. Basis hierfür ist eine Executive Order von Anfang Februar 2025, in der die jüngste Politik der südafrikanischen Regierung zur Landreform als rassistische Diskriminierung der ethnischen Minderheit der weißen Afrikaner bezeichnet wird. Entsprechend (und ergänzt um den Verweis auf die südafrikanische Völkermord-Klage gegen Israel vor dem IGH) wird u.a. die US-Unterstützung für Südafrika eingestellt, außerdem fördert die US-Regierung „the resettlement of Afrikaner refugees escaping government-sponsored race-based discrimination, including racially discriminatory property confiscation“.   

Während es keine ernstzunehmenden Hinweise dafür gibt, dass in Südafrika tatsächlich ein Völkermord an der weißen Minderheit stattfindet, stehen die Genozid-Rhetorik und medienwirksame Aufnahme der südafrikanischen „Flüchtlinge“ deutlich im Einklang mit dem MAGA-Narrativ einer Benachteiligung und Ausbeutung Weißer durch bislang angeblich zu Unrecht bevorteilter (nichtweißer) Gruppen, gegen die sich die Trump-Administration zur Wiederherstellung gerechter Verhältnisse wende. Neben diesen klar rassistischen und einem Opfermythos folgenden Argumentation ist auch bezeichnend, dass in der MAGA-Welt wirtschaftliche Nachteile mit politischer und rassischer Verfolgung gleichgesetzt und damit indirekt als Asylgrund gewertet werden. Es passt zum transaktionalen und materialistischen Charakter des Politikverständnisses Trumps und seiner Anhänger, finanzielle Einbußen als grundlegende Menschenrechtsverletzung anzusehen.  

Doch was steckt hinter dem Enteignungsvorwurf? Mit Datum vom 24. Januar 2025 hat der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa das im Oktober 2020 in die Nationalversammlung eingebrachte Enteignungs-Gesetz (Expropriation Act, 2024) ratifiziert, welche das entsprechende Gesetz von 1975 zur Umsetzung von Art. 25 der südafrikanischen Verfassung neu fasst. Darin wird geregelt, unter welchen Umständen eine Enteignung von beweglichen und unbeweglichen Gütern für einen öffentlichen Zweck oder im öffentlichen Interesse inklusive der Wiedergutmachung von Apartheid-Unrecht möglich ist. Prinzipiell ist damit die Enteignung u.a. von Grundbesitzern möglich. Allerdings galt dies bereits nach dem noch zu Apartheid-Zeiten verabschiedeten Expropriation Act, 1975, damals freilich unter der Ägide der Herrschaft der Weißen. 

Im Grunde verändert sich die abstrakt-rechtliche Situation damit kaum, aber der praktisch-gesellschaftliche Kontext lässt natürlich vermuten, dass die potenziellen Hauptbetroffenen heute weiße Landbesitzer sein dürften, welche noch immer geschätzt über drei Viertel des südafrikanischen Ackerlandes besitzen. Durch den Native Lands Act von 1913 gingen 93 Prozent der gesamten Landfläche der Südafrikanischen Union in den Besitz der Weißen über, welche gerade einmal 7% der Bevölkerung ausmachten. Bis heute verfügen in Südafrika etwa fünf Prozent der Bevölkerung (zumeist Weiße) über rund 85 Prozent des Vermögens. Die nach dem Ende des Apartheid-Regimes angestrebte Umverteilung des Landes zugunsten der Schwarzen nach dem Prinzip freiwilligen Verkaufs („willing seller – willing buyer“) gelang nicht im angestrebten Umfang.

Das nun in Kraft getretene Gesetz beabsichtigt, dieses Verteilungsproblem nun schließlich durch die Möglichkeit von Zwangsenteignungen anzugehen, was naturgemäß auch innerhalb der regierenden Regierungskoalition und in der südafrikanischen Gesellschaft heftig umstritten ist. Nicht umsonst wird dabei auf die negativen Erfahrungen in Zimbabwe verwiesen, die die ANC-dominierten Regierungen in Südafrika bislang stets vermeiden wollten. Dort wurden nach 2000 Tausende weißer Farmer von der Regierung Robert Mugabes offiziell zum Ausgleich kolonialen Unrechts in chaotischer Weise enteignet, mit der Folge, dass die landwirtschaftliche Produktion und die Beschäftigung der (schwarzen) Bevölkerung massiv litten. Das Vorgehen des Regimes ordnete sich damit nahtlos in die katastrophale nepotistische Wirtschaftspolitik Mugabes ein, welche schließlich 2020 zu einer Revision der entschädigungslosen Enteignungspolitik führte.

Sowohl aus wirtschaftspolitisch-praktischer als auch aus gerechtigkeitstheoretischer Perspektive lässt sich aus guten Gründen über das südafrikanische Enteignungsgesetz streiten. Die Bedingungen des Apartheid-Regimes führten zweifellos dazu, dass die Weißen nicht zuletzt in wirtschaftlicher Hinsicht massiv von der rassistischen Diskriminierung Nichtweißer profitierten. So schätzen etwa Pellicer/Rachhod (2023), dass weiße südafrikanische Männer während der Apartheid ceteris paribus allein ein etwa vier mal so hohes Einkommen erreichten wie farbige (d.h. nichtweiße, nichtschwarze) Südafrikaner. Allerdings übersehen Kritiker wie die Trump-Administration, dass nach Art. 12 (1) des Expropriation Act, 2024 im Falle einer Enteignung grundsätzlich eine angemessene Entschädigung vorgesehen ist, deren Umfang „must be just and equitable reflecting an equitable balance between the public interest, the interests of those affected, including an owner, holder of a right a morgagee, having regard to all relevant circumstances, including — (a) the current use of the property; (b) the history of the acquisition and use of the property; (c) the market value of the property; (d) the extent of direct state investment and subsidy in the acquisition and beneficial capital improvement of the property; and (e) the purpose of the expropriation.“ 

Eine entschädigungslose Enteignung ist zwar laut Art. 12 (3) ausdrücklich möglich, jedoch insbesondere in Situationen, „(a) where the land is not being used and the owner’s main purpose is not to develop the land or use it to generate income, but to benefit from appreciation of its market value; (b)  where an organ of state holds land that it is not using for its core functions and is not reasonably likely to require the land for its future activities in that 40 regard, and the organ of state acquired the land for no consideration; (c) (...) where an owner has abandoned the land by failing to exercise control over it despite being reasonably capable of doing so; (d) where the market value of the land is equivalent to, or less than, the present value of direct state investment or subsidy in the acquisition and beneficial capital improvement of the land.“

Es sieht also nicht danach aus, als wolle die südafrikanische Regierung nun großflächig die weißen Landbesitzer ohne Entschädigung enteignen und sie so faktisch vertreiben. Sowohl die Widerstände innerhalb der Regierungskoalition als auch die Erfahrungen in Zimbabwe und die weiterhin wichtige Rolle der Weißen in der südafrikanischen Wirtschaft stehen dem wohl entgegen. Damit entlarvt sich aber das Trumpsche Asyl für die Afrikaner als ebenso perfider wie letztlich dümmlicher Baustein der populistisch-rassistischen und kulturrevolutionären MAGA-Ideologie, die sich nicht zuletzt durch eine Umwertung fundamentaler Werte und Umdefinition etablierter Rechtsbegriffe auszeichnet.  

  

Literatur/Links

Dickow, Helga (2007): Die Plünderung Simbabwes. Blätter für deutsche und internationale Politik 6/2007, https://www.blaetter.de/ausgabe/2007/juni/die-pluenderung-simbabwes .

Pellicer, Miquel/Ranchhod, Vimal (2023): Understanding the effects of racial classification in Apartheid South Africa. Journal of Development Economics 160: 102998.

Ramantsima, Katlego/Joala, Refiloe (2024): Südafrikas ungelöste Landfrage. Rosa Luxemburg Stiftung Hintergrund, 03.05.2024, https://www.rosalux.de/news?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=51977&tx_news_pi1%5Bnews_uid%5D=0&cHash=09d3b70e58a938cd524087de21fbe3fa .