Die MAGA-Revolution frisst ihre Unterstützer: Rechtspopulismus und Marktfundamentalismus in den USA und darüber hinaus

Obwohl die ursprünglichen Anordnungen des Weißen Hauses für einen weitgehenden Ausgabestopp Ende Januar von einem Bundesrichter gestoppt wurden, verfolgt die Trump-Administration diesen Kurs trotz des damit verbundenen Rechtsverstoßes offenbar weiter. Jüngste Beispiele betreffen die US-amerikanische Landwirtschaft, obwohl die Wählerinnen und Wähler im ländlichen Raum einen maßgeblichen Anteil an Trumps Wahlerfolg im November 2024 hatten. Verschiedene strukturelle Defizite in „rural America“ führten dazu, dass Trump 93 Prozent der ländlichen Wahlkreise gewann. Die jetzigen Maßnahmen zu Lasten der US-Farmer betreffen beispielsweise gestoppte Auszahlung von Hilfen, welche im Rahmen des „Inflation Reduction Act“ von 2022 gewährt wurden, durch das Landwirtschaftsministerium (USDA), die Streichung technischer Unterstützungsleistungen oder die potenzielle Reduzierung von Personal landwirtschaftlicher Organisationen. In der Folge sehen sich viele Landwirte, die im Vertrauen auf die Subventionen teilweise große Investitionen getätigt haben (), etwa in erneuerbare Energieversorgung, Wassersysteme und Zäune, in ihrer Existenz bedroht

Auch andere Maßnahmen, welche Trump jenseits des USDA bereits ergriffen hat, haben negative Auswirkungen auf den US-Agrarsektor. Dies betrifft nicht nur mögliche Beeinträchtigungen beim Export landwirtschaftlicher Produkte durch mögliche Gegenmaßnahmen der Zielländer von Trumps Strafzöllen, sondern auch Bereiche, welche nicht auf den ersten Blick agarrelevant sind. So geht etwa die eingeleitete Abwicklung der Entwicklungsagentur USAID auch zulasten von US-Farmern, denn die humanitären Hilfeleistungen in Form von Nahrungsmittelspenden durch USAID wurden in großen Teilen durch Einkäufe in den USA selbst, d.h. durch US-Agrarexporte ermöglicht. Der Beitrag der Vereinigten Staaten zu internationalen Nahrungsmittelhilfsprogrammen beträgt mit rund vier Milliarden US-Dollar über ein Drittel der weltweiten Hilfen, von denen ein großer Teil letztlich der US-Wirtschaft zugute kommt, zumal US-Hilfen auch nur durch Schiffe unter US-Flagge geliefert werden dürfen. Mit dem Einfrieren von USDA-Leistungen und der Abschaffung von USAID beschneidet die Trump-Administration damit wesentliche Subventionen für die eigene (Land-) Wirtschaft, was offenbar für viele Farmer ebenso überraschend wie ärgerlich ist.    

Interessanterweise verweist diese Ernüchterung einiger MAGA-Anhänger im ländlichen Amerika auf zwei zentrale Aspekte des Rechtspopulismus und seiner wirtschafts- und sozialpolitischen Ausrichtung. Zum einen zeigt die historisch-empirische Analyse, dass populistische Regierungen jedweder Couleur ganz im Gegensatz zu ihren Versprechungen alles andere als ein Gewinn für das ökonomische Wohlergehen einer Bevölkerung sind: Sie führen vielmehr zu einem deutlich geringeren relativen Pro-Kopf-Einkommen, wirtschaftlicher Desintegration und sinkender makroökonomischer Stabilität sowie einer Erosion sozioökonomisch und politisch wichtiger Institutionen.

Zum anderen wird deutlich, dass die ideologisch-programmatische Eigenheit des Rechtspopulismus das Zusammenspiel von immigrationsablehnender Xenophobie, rechtsstaatsfeindlichem Autoritarismus und identitärem Nationalismus einerseits und marktfundamentalistischem Staatsskeptizismus und Individualismus andererseits ist. In der Literatur gibt es zwar einen gewissen Gegensatz zwischen der Deutung des Rechtspopulismus als Reaktion auf eine überfordernde und als ungerecht empfundene neoliberale Modernisierung bzw. als Komplement zu einem extremen Neoliberalismus. 

Die erstgenannte, eher linke Interpretation scheint aber angesichts der Politik Donald Trumps und verschiedener rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen, etwa in Südamerika (vgl. Javier Milei in Argentinien) oder Europa vor allem als Erklärung für das Wahlverhalten großer Teile einer frustrierten, von Zukunftsängsten geplagten und ressentimentbeladenen Bevölkerung überzeugend, weniger als Charakterisierung der Programmatik des Rechtspopulismus. Vielmehr ist letztere durch eine Gesellschafts-, Politik- und insbesondere Wirtschaftsvorstellung geprägt, welche den eigentlichen Interessen der Masse der Bürger widerspricht, propagiert sie doch eine kaum gebremste Rolle des Marktes als möglichst einzigem Allokationsmechanismus für wirtschaftlich-gesellschaftliche Güter, ohne große umverteilende (weil angeblich korrupte Eliten und „Faule“ bzw. „Fremde“ bevorzugende) Korrektur durch den Staat. Eine solche Perspektive von Subventions- und Bürokratieabbau, Steuer- und (Sozial-) Abgabensenkungen, Deregulierung und Rückführung von Staatsleistungen zugunsten individueller „Freiheit“ und Verantwortung, wie sie auch von der AfD vertreten wird, führt aber in extremis zu einer Art Manchester-Kapitalismus, in dem nicht nur ein Höchstmaß an materieller und sozialer Ungleichheit herrscht (und durch angebliche Leistungsunterschiede legitimiert wird), sondern der Durchschnittsbürger etwa mangels reichhaltigem Kapital und hervorragender Bildung gar nicht in der Lage ist, ökonomisch zu reüssieren, und sich stattdessen den wirtschaftlichen Interessen der Reichsten unterwerfen müssen, welche das politische, ökonomische und rechtliche System in einer zu einer faktischen Oligarchie degenerierenden (Schein-) Demokratie dominieren.    

Eine solche Vorstellung mit ihrem Widerspruch zwischen Wählerwahrnehmung und konkreten Politikzielen lässt sich offenbar nur dadurch aufrechterhalten, dass den Bürgern und Bürgerinnen mit den Migranten und Ausländern allgemein Sündenböcke für die eigenen materiellen Sorgen und ideellen Defizite angeboten werden. In der Selbstwahrnehmung kann sich auch der sozioökonomisch prekär situierte Wähler einer rechtspopulistischen Partei so stets zumindest als einer anderen Menschengruppe überlegen wähnen, wertet also seinen gesellschaftlichen Status auf, indem er etwa Migranten für alle gesellschaftlichen Übel (inklusive Sicherheits- und Arbeitsmarktproblemen) verantwortlich macht. Ein solcher Mechanismus ist auch aus anderen Zusammenhängen bekannt, etwa im Kontext der Frage, warum die Masse der Bürger der Konföderierten Staaten von Amerika im Bürgerkrieg bereit war, für die Institution der Sklaverei zu kämpfen, obwohl sie gar keine Sklaven besaßen. Um es in den Worten eines (sprachlich sicherlich nicht mehr zeitgemäßen) Aufsatzes aus den 1930er Jahren zu sagen: "To these lowly people slavery offered what they considered a defense of their self respect."

Schwierig wird es allerdings dann, wenn die rechtspopulistische Regierung ihr Programm umsetzt und die Bürgerinnen und Bürger die konkreten Folgen eines Umbaus der Wirtschaft und Abbau des Staates zugunsten von Konzerninteressen und reichen Individuen (wie augenfällig Elon Musk) erfahren müssen. Nachdem dann aber nicht nur das sozioökonomische System in Richtung extremem Marktliberalismus umgebaut worden ist, sondern auch das politisch-administrativ-juristische System in Richtung Autoritarismus, ist es dann schlimmstenfalls zu spät, sich auf demokratisch geregeltem Weg dagegen zu wehren.       

Was damit angesichts der aktuellen Erfahrungen mit der Trump-Administration und der anstehenden Bundestagswahl in Deutschland zu bleiben scheint, ist der (häufig Bertold Brecht zugeschriebene, aber wohl auf ein abgewandeltes Gedicht eines Schweizer Journalisten aus dem Jahr 1850 zurückgehende) sarkastische Spruch: „Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber.“

  

Literatur/Links

Akbar, M. Chairil/Nugroho, Agung Yudhistira/ Kusuma, Ardli Johan (2018): Relation Between Neoliberalism and the Rise of Right Wing Populism in United States After Donald Trump Victory. Advanced Science Letters 24: 3409–3413, https://www.researchgate.net/publication/324872659_Relation_Between_Neoliberalism_and_the_Rise_of_Right_Wing_Populism_in_United_States_After_Donald_Trump_Victory .

Fischer, Andrew M. (2020): The Dark Sides of Social Policy: From Neoliberalism to Resurgent Right-wing Populism. Development and Change 51 (2): 371–397, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/dech.12577 .

Funke, Manuel/Schularick, Moritz/Trebesch, Christoph (2022): Populist Leaders and the Economy. Kiel Working Paper No. 2169, Institut für Weltwirtschaft Kiel, https://www.ifw-kiel.de/fileadmin/Dateiverwaltung/IfW-Publications/fis-import/63738460-817f-4a88-837b-794a7c021251-KWP_2169_update_june_2022.pdf .

Havertz, Ralf (2018). Right-Wing Populism and Neoliberalism in Germany: The AfD’s Embrace of Ordoliberalism. New Political Economy, 24 (3): 385–403. 

Ötsch, Walter/Pühringer, Stephan (2017) : Right-wing populism and market- fundamentalism: Two mutually reinforcing threats to democracy in the 21st century, Working Paper Serie No. Ök-26, Cusanus Hochschule, Institut für Ökonomie und Institut für Philosophie, Bernkastel-Kues, https://www.econstor.eu/bitstream/10419/191608/1/wps-oek26.pdf .