Elon Musk als Meisterstratege und Herr über Krieg und Frieden?
Während die Ukraine im Süden und Russland im Osten des Landes mühsam ihre Offensiven weiterführen und es nach einer neuen Runde des Stellungs- und Abnutzungskriegs während der Schlammperiode und des kommenden Winters aussieht, ist bekannt geworden, dass Elon Musk wohl im letzten Jahr verhindert hat, dass die ukrainischen Streitkräfte einen großangelegten Drohnenangriff auf die in Sewastopol ankernde russische Schwarzmeerflotte durchführen konnten. Wie im Kontext der Diskussion um eine neue Biographie über Musk von ihm selbst bestätigt wurde, hat er sich geweigert, sein Satellitennetzwerk Starlink über der Krim für die Ukrainer zu aktivieren, mit dem diese große Teile der russischen Flotte mittels ferngelenkter Unterwasserdrohnen ausschalten wollten. Der Angriff scheiterte wohl entsprechend mangels entsprechender Führungsfähigkeiten, wie sie von ukrainischer Seite zu Lande so erfolgreich für die eigene Artillerie und Drohnen eingesetzt werden. Elon Musk begründet seine Weigerung damit, dass er einen nuklearen Gegenschlag der Russen befürchtete, sollte die Schwarzmeerflotte vernichtet werden, die ein zentrales strategisches Asset für die russische Führung ist.
Abgesehen davon, dass man sich darüber streiten kann, ob Elon Musk mit seiner strategischen Einschätzung richtig lag – und es spricht einiges dafür, dass trotz eines unbestreitbaren Restrisikos die Gefahr einer nuklearen Eskalation russischerseits nicht größer war (und ist) als bei einem Kollaps der Front zu Lande –, sind in diesem Zusammenhang drei Aspekte von besonderem Interesse:
Erstens unterstreicht der Vorfall die Bedeutung, welche Drohnen mittlerweile für die Kriegführung gewonnen haben, nicht nur als Aufklärungsmittel, welches verdeckte Bewegungen auf dem Schlachtfeld und darüber hinaus fast unmöglich erscheinen lassen. Mittlerweile sind Kampfdrohnen als Waffenträger oder vor allem als „Kamikazedrohnen“ ein zentrales Instrument zur Bekämpfung des Gegners über größere Distanzen. Angesichts der Entwicklungen bei der KI ist das nächste Wettrüsten im Bereich der autonomous lethal weapons bereits im Gange, ebenso wie das Bemühen um entsprechende IT- und kinetische Abwehrsysteme, u.a. auch durch die deutsche Rüstungsindustrie, welche teilweise auch schon in die Ukraine geliefert worden sind.
Zweitens wird deutlich, wie groß im Westen die Furcht vor einer nuklearen Eskalation des Krieges ist. Dies resultiert – sehr zum Unwillen der ukrainischen Seite, die Musk vorwirft, ähnlich wie bei seinem „Friedensplan“ vom Oktober 2022 die russische Seite zu bevorteilen, indem er durch die Bewahrung der Schwarzmeerflotte dem Beschuss ukrainischer Städte und Infrastruktur von See Vorschub geleistet habe (und der Unterbindung ukrainischer Exporte über das Meer) – darin, dass die militärische Unterstützung für die Ukraine immer wieder dadurch begrenzt wird, dass das Regime Vladimir Putins nicht über Gebühr gereizt werden soll (vgl. die deutschen Debatten um die Lieferung von Leopard-Panzern oder von Taurus-Marschflugkörpern). Die Ukraine wird faktisch immer nur soweit unterstützt, dass die der russischen Aggression standhalten kann, aber nicht in der Lage ist, Russland entscheidend zu besiegen, insbesondere nicht durch umfassende, weitreichende Angriffe auf russisches Territorium mit westlichem gerät. Dies zeigt sich wohl auch in der gegenwärtigen Gegenoffensive und trägt letztlich zur Verlängerung des Krieges bei.
Drittens, und das ist die aus politikwissenschaftlicher Perspektive grundsätzlich bedenklichste Entwicklung, demonstriert der Starlink-Vorfall, wie groß mittlerweile der Einfluss von Privatunternehmen und -unternehmern auf das Kriegsgeschehen ist. Ganz offensichtlich sind zumindest Gewaltkonflikte, die nicht direkt unter den Großmächten ausgefochten werden, nun mehr denn je abhängig von den politischen und geschäftlichen Interessen, Vorlieben und Launen mächtiger privater Akteure, im schlimmsten Fall wie bei Musk von mehr oder weniger erratischen Einzelpersonen. Dies ist natürlich nichts fundamental Neues, sind doch etwa auch die koloniale Expansion und die Kolonialkonflikte des 18. und 19. Jahrhunderts stark von wirtschaftlichen Geschäftsinteressen beeinflusst worden, doch hat die starke technologische Abhängigkeit von Staaten wie der Ukraine von externen privaten Akteuren in ihrem existenziellen nationalen Abwehrkampf eine neue Qualität erreicht. Vor zwanzig Jahren unterstrich Herfried Münkler bei der Charakterisierung seiner „neuen Kriege“ u.a. den Aspekt der Privatisierung des Krieges und meinte damit vor allem die zentrale Relevanz nichtstaatlicher Gewaltakteure in Konflikten. Spätestens mit Elon Musk und seiner Einflussnahme auf den Ukraine-Krieg hat diese Facette des Krieges ein neues (altes?) Element hinzugewonnen.