King Charles III

Mit dem Tod von Königin Elisabeth II. am 8. September 2022 hat nach der britischen Verfassung automatisch ihr Sohn, der bisherige Prince of Wales, Charles im Alter von 73 Jahren den Thron des Vereinigten Königreichs bestiegen. Nach der langen Amtszeit seiner Vorgängerin stellt sich natürlich eine Vielzahl von Fragen zum zukünftigen Rollenverständnis des nunmehrigen Charles III. und zur Zukunft der Monarchie insgesamt. 

Der Hauptunterschied in der königlichen Amtsführung wird wahrscheinlich sein, dass sich Charles stärker als seine Mutter - soweit man dies von Elisabeth II. weiß - in politische und gesellschaftliche Fragen einmischen wird. Als Prince of Wales war er bekannt dafür, Minister, Abgeordnete und Beamte mit privaten Briefen, den sogenannten "black spider memos" zu bombardieren, in denen er Kritik und Anregungen zu einer Vielzahl von Fragen, von Architektur, Landwirtschaft und Klimawandel über soziale Fragen wie Kinderarmut bis hin zur Ausrüstung der britischen Streitkräfte äußerte. Der jetzige König hat zwar wiederholt klargemacht, dass er seinen Stil nach der Thronbesteigung ändern wird, aber ich gehe davon aus, dass er hinter den Kulissen weiterhin Tacheles reden wird, etwa in seinen wöchentlichen Treffen mit der Premierministerin, soweit es seine verfassungsrechtliche Position irgendwie zulässt. Kurz gesagt: Charles III. hat wohl eher eine eigene, konkretere politische Agenda als seine Vorgängerin.  

Laut YouGov-Umfragedaten vom letzten Jahr befürworten noch immer über 60% der Briten die Beibehaltung der Monarchie und nur ein Viertel für ein gewähltes Staatsoberhaupt. Aber diese Mehrheit wird vor allem von den älteren Generationen getragen; unter den 18- bis 24-Jährigen sind nurmehr 40% pro-monarchisch und fast ebenso viele republikanisch. Da spielt das Argument der Priviliegien und Kosten des Königshauses natürlich eine wichtige Rolle, vor allem deshalb, weil es im UK ja eine sehr ungleiche Vermögensverteilung und verbreitete Armut gibt. Es ist anzunehmen, dass dieser Trend sich jetzt noch verstärken wird, vor allem auch in den nichtenglischen Landesteilen.

So hatten etwa die Anhänger einer schottischen Unabhängigkeit bislang Probleme damit, welche Rolle die Queen als quasi ewige Institution nach einer etwaigen Abspaltung noch spielen sollte. Die eigentlich strikt republikanischen schottischen Nationalisten der SNP kamen deshalb auf die Idee, Elisabeth II. als "Queen of Scots" zu behalten. Bei Charles sind die Hemmungen gegenüber einer Aufgabe der Monarchie wohl niedriger, da er sich noch nicht einen ähnlichen charismatischen Nimbus erarbeiten konnte wie die Queen. Deshalb muss er auch verstärkt auf Reformen des Königshauses dringen.    

Nach dem, was man von Charles' Intentionen als König weiß, sind mindestens zwei Reformschritte wahrscheinlich: Zum einen will er die Monarchie abspecken, d.h. den Kreis derjenigen, die royale Repräsentationsaufgaben übernehmen, in erster Linie auf die engere Familie, also den König und seine Geschwister (wohl außer Andrew), seine Kinder und seine Enkelkinder beschränken. Das würde neben geringeren Belastungen für die Staatskasse wohl auch eine selektivere Präsenz des Königshauses in der Öffentlichkeit bedeuten. Gleichzeitig scheint er sich um eine neue Transparenz und Volksnähe der Monarchie zu bemühen, was etwa gleich bei seiner Rückkehr nach London mit dem Kontakt mit der Menge der trauernden Menschen vor Ort, seiner ersten Fernsehansprache oder seiner offiziellen Proklamation, die ebenfalls erstmals im TV übertragen werden wird, sichtbar wird.

Zum anderen will er wohl auch in weltanschaulicher Hinsicht die Integrationsfunktion der Monarchie betonen. Deshalb ist die Rede davon, dass bei der anstehenden Krönung seine Proklamation als "defender of the Faith", als Verteidiger der anglikanisch-christlichen Religion, abgeändert werden soll in "defender of faith", was auch andere Religionen umfassen würde. Er wird natürlich weiter das Oberhaupt der anglikanischen Kirche bleiben, aber stärker auf interreligiösen Dialog setzen. Und was die Frage der Pensionierung angeht, könnte man sich durchaus vorstellen, dass Charles als König zugunsten seines Sohnes abdankt, sobald er das Königshaus als reformiert und Prinz William als nunmehrigen Prince of Wales (nicht zuletzt für seine Rolle als mehr oder weniger väterliche Integrationsfigur) für bereit als Thronfolger erachtet.    

Die Hauptaufgabe für Charles wird sein, seinen Beitrag zur Neuorientierung und zum Zusammenhalt des UK angesichts von Brexit, Wirtschafts- und Klimakrise, Separatismus und neuen Weltkonflikten mit Russland und China zu leisten. Dazu gehört auch die Bewahrung der britischen Monarchie als Stabilitäts- und Vertrauensanker für die Bevölkerung in allen Landesteilen sowie als Staatsoberhaupt im Commonwealth. Nicht nur in Schottland oder Nordirland machen sich da Erosionstendenzen bemerkbar; letztes Jahr hat sich Barbados offiziell zur Republik erklärt, Jamaika könnte demnächst folgen.

Das alles zusammen beeinträchtigt nicht nur die nationale und internationale Rolle des Königshauses, sondern wirft auch ein Licht auf die zunehmend schwierige Position Großbritanniens in der Welt nach dem Brexit. Aber man sollte Charles dabei auch nicht unterschätzen: Immerhin hat er ja eine Lehrzeit von mehr als einem halben Jahrhundert hinter sich und erscheint gefestigt genug, auch einer konservativen Regierung, die noch immer unrealistische Flausen vom "Global Britain" im Kopf hat, bei Bedarf die Leviten zu lesen - ganz diskret natürlich.  

   

Link zum Originalinterview:

„Charles wird sich stärker als seine Mutter in politische Fragen einmischen“, FOCUS online, 9.9.20022, https://www.focus.de/panorama/welt/abschied-queen/reformen-und-ruecktritt-monarchie-light-und-abdanken-das-koennte-sich-mit-charles-iii-aendern_id_143539048.html .