„Wolf Warrior“-Diplomatie gegen den Vatikan?

Seit etwa dem Beginn der zweiten Amtszeit Xi Jinpings als Generalsekretär der KPCh und Staatspräsident der Volksrepublik China ist die chinesische Außenpolitik durch ein robusteres und durchaus machtbewusstes Auftreten insbesondere in den bilateralen Beziehungen zu anderen Staaten geprägt. Ausdruck dieser „Wolf Warrior Diplomacy“ – benannt nach einer erfolgreichen chinesischen Actionfilm-Serie nach Art der „Rambo“-Filme – sind undiplomatische Äußerungen und Drohungen, wirtschaftliche Sanktionen und arrangierte, „spontane“ Ausbrüche von Volkswut in der chinesischen Bevölkerung bei vermeintlichen Fehlverhalten der Gegenseite, insbesondere, was Kerninteressen Chinas wie die „Ein China-Politik“ angeht. Bekannte Beispiele sind der „Bürgerboykott“ der südkoreanischen Automarlen Hyundai und Kia in China im Jahr 2017, nachdem die südkoreanische Regierung den Kauf von US-amerikanischen THAADS-Raketenabwehrsystemen beschlossen hatte, das Einfuhrverbot litauischer Waren seit Ende 2021, nachdem in Vilnius eine Vertretung Taiwans unter eigenem Namen eröffnet worden war, Boykottmaßnahmen und ein Social Media-Shitstorm gegen die koreanische Popgruppe BTS nach deren Kommentaren zum Gedenken an den Koreakrieg 2020 oder die provokative Verunglimpfung des koreanischen Nationalgerichts kimchi (und damit in den Augen vieler Südkoreaner der koreanischen Kultur insgesamt 2020/21.  

Obwohl es auch Anzeichen gibt, dass die chinesische Außenpolitik nach der in der Folge massiven Verschlechterung des chinesischen Images in der Welt wieder „diplomatischere“ Töne anschlägt, gehören Affronts zur Unterstreichung der eigenen (Macht-) Position noch immer zu ihrem Repertoire. Jüngstes Beispiel hierfür ist ein Verstoß gegen ein mittlerweile zweimal verlängertes Abkommen mit dem Heiligen Stuhl über die Ernennung von Bischöfen vom September 2018. Hintergrund ist der langanhaltende und noch immer nicht abschließend geklärte Konflikt um den Status der katholischen Kirche in China und die Rolle des Heiligen Stuhls in der dortigen Kirchenorganisation. Die chinesische Regierung beharrt seit langem auf der Kontrolle der Kirche durch Staat und Partei, d.h. sozusagen einen Katholizismus „mit chinesischen Charakteristika“, was dem kanonischen Recht der Bischofsernennung durch den Papst widerspricht. In der Vergangenheit hat sich daher eine Zweiteilung der katholischen Kirche in China in eine offizielle (vom Staat überwachte) und eine inoffizielle „Untergrund“-Kirche (mit vom Papst ernannten Bischöfen) ergeben. Diese Zweiteilung wurde 2018 pragmatisch dahingehend überwunden, dass der Papst die bestehenden staatlichen Bischöfe akzeptierte und der Heilige Stuhl mit der chinesischen Führung übereinkam, dass zukünftig Bischöfe vom Papst in Zusammenarbeit mit den chinesischen Behörden, einer Art Vorauswahl geeigneter, auch der chinesischen Führung genehmen Kandidaten, ernannt werden sollten. 

Am 24. November 2022 ist nun der (vom Papst 2014 bestätigte) Bischof von Yujiang in der Provinz Jiangxi, Giovanni Peng Weizhao, ohne Zustimmung des Heiligen Stuhls zusätzlich zum „Weihbischof von Jiangxi“ ernannt worden ist, einer vom Vatikan nicht anerkannten Diözese. Dieser reagierte mit „Verwunderung und Bedauern“ auf den Bruch des Abkommens und unterstrich, dass dieses Vorgehen nach „starkem Druck der dortigen Behörden“ stattfand. Während der Heilige Stuhl seine weitere Dialogbereitschaft signalisierte, betonte er zugleich, dass er eine Erklärung erwarte und hoffe, dass „sich ähnliche Vorkommnisse nicht wiederholen“. Das Vorgehen der chinesischen Behörden ist ein Anzeichen für eine neue, härtere Gangart des Regimes gegen die chinesischen Katholiken, welche sich etwa auch in einer – ebenfalls im November verhängten – Geldstrafe (und weiter drohender Haft) für den emeritierten Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen Ze-kiun wegen „Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften“ zeigt.

Es liegt nahe zu vermuten, dass die neue Konfrontation mit dem Heiligen Stuhl nicht zuletzt dazu dient, angesichts der laufenden Corona-Proteste und Demonstrationen wegen Bankenpleiten in Folge der Immobilienkrise etwaige Oppositionelle zusätzlich einzuschüchtern. Möglicherweise soll auch im Zuge der jüngst wieder nachdrücklich betonten „Ein China“-Politik Xis Druck auf den Heiligen Stuhl ausgeübt werden, nun endlich auch seine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan - der Vatikan ist neben einer Reihe kleinerer karibischer und lateinamerikanischer sowie pazifischer Staaten (Belize, Eswatini/Swasiland, Guatemala, Haiti, Honduras, Marshall-Inseln, Nauru, Palau, Paraguay, St. Kitts and Nevis, St. Lucia, St. Vincent und Grenadinen, Tuvalu) eines von nurmehr 13 vollwertigen Völkerrechtssubjekten, die noch diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhalten - abzubrechen und die Volksrepublik China ganz offiziell als einzigen chinesischen Staat anzuerkennen. In jedem Fall wird der Vorfall jedoch innerkuriale Diskussionen wiederaufleben lassen, welche das Bischofsabkommen ohnehin als zweifelhaftes Zugeständnis an die Machtinteressen der chinesischen Führung ansehen.

Literatur/Links:

Kullar, Navreet Kaur (2019): China-Vatican Deal: Determining Factors and its Implications. ICS (Institute of Chinese Studies, Delhi) Analysis 71, January 2019, https://www.icsin.org/uploads/2019/01/08/5f7d54cd13f40752483eee51d3f16a19.pdf .

Rotte, Ralph (2008): Der Heilige Stuhl im Reich der Mitte. Blätter zur deutschen und internationalen Politik 53 (2): 27-30.

Zhang, Juyan (2017): Sino-Vatican Faith Diplomacy: Mapping the Factors Affecting Bilateral Relations. Los Angeles: Figueroa Press/USC, https://www.researchgate.net/publication/315778885_The_Sino-Vatican_faith_diplomacy_Mapping_The_Factors_Affecting_Bilateral_Relations .

Zhu, Zhiquin (2020): Interpreting China’s “Wolf-Warrior Diplomacy“. Pacific Forum PacNet 26, 14 May 2020, https://pacforum.org/wp-content/uploads/2020/05/20200514_PacNet_26.pdf .