Die Erfolgsaussichten der IDF in Gaza - mehr eine politische als eine militärische Frage

Trotz anscheinend etlicher Bemühungen westlicher Regierungen, die israelische Regierung von der Durchführung einer Bodenoffensive in Gaza abzuhalten, spricht praktisch alles dafür, dass eine solche innerhalb der nächsten Tage - nach entsprechender Vorbereitung durch die Luftwaffe - tatsächlich beginnen wird; zumindest lassen die israelischen Entscheidungsträger offiziell keinen Zweifel daran. Tatsächlich dürfte ein Angriff mit Bodentruppen, massiv unterstützt von Luftwaffe und Marine, die einzige Möglichkeit sein, das physische Bedrohungspotenzial und die Infrastruktur der Hamas nachhaltig militärisch auszuschalten oder zumindest fundamental zu schwächen. Trotz der damit verbundenen Risiken aller Art erscheint dies gegenwärtig in Israel als einzige Option, Terrorangriffe der Hamas wie den traumatischen Überfall vom 7. Oktober auf absehbare Zeit zu beenden.

David Horovitz, Gründer und Herausgeber der liberalen und regierungskritischen Times of Israel, hat die dortige Stimmung gestern eindrücklich auf den Punkt gebracht

„Out in the world, much of the international community is currently arguing obscenely about whether the Hamas monsters who two weeks ago slaughtered, beheaded, burned, raped and abducted our citizens, inside our homes and communities, inside our sovereign land, should be considered 'terrorists.' Much of the international community is choosing to give credence to an evidence-free Hamas claim that Israel bombed a Gaza hospital, over the IDF’s fact-based conclusion that a misfired Islamic Jihad terror group missile was to blame.

But here, inside Israel, right now, for all our outrage and disgust at the misperception and misrepresentation of what has been playing out, we are preoccupied with the army’s imminent mission to send ground forces into Gaza to try to ensure Hamas can never harm us again. (…) Everybody here knows not only one or more of the 1,400 Israelis who were massacred or abducted by Hamas across southern Israel on and after October 7, but also one or more of the hundreds of thousands of soldiers in our standing army and our called-up reserves in an IDF about to venture into Hamastan — a hell of booby-trapped homes, underground terror tunnels, gunmen dressed as civilians and the devil knows what else. We all know our people’s army will be doing exactly what Hamas — an Islamic extremist terrorist army sworn to destroy us — wants the IDF to do: walking, eyes-open into a trap. And we all know that Hamas was dreadfully underestimated by our political and military leadership ahead of October 7. (…) We know this war will take time and involve still more terrible loss — on both sides, in a Gaza where citizens cannot easily escape the war, and in many cases, we are told, are being prevented by Hamas from evacuating.

How do you destroy a vast, barbaric terrorist army, cynically using civilians as human shields, from its home ground? Two weeks after 2,500 Hamas killers burst across the border, we’re still not sure we’ve got them all out of Israel. Now the IDF is seeking to eliminate them, in their tens of thousands, from Gaza. (…) They know that the country is behind them. They are the country.  The fate of Israel is in their hands, and in the hands of the commanders who, we can only hope, have rediscovered their competence. 

We hold our breath. We all know that the mission must succeed. Because we have to be able to live in security in our small patch of land, and, as of October 7, we’re not sure that we can do that. And because, as Biden also noted, we know what happens to Jews everywhere without an Israel. Indeed, we can see it starting to happen again.“

Geht man somit davon aus, dass die israelische Großoffensive auch am Boden kommen wird, stellen sich mindestens drei Fragen: Kann die israelische Armee die ihr gesetzten Ziele in Gaza angesichts der diesbezüglichen Vorbereitungen der Hamas tatsächlich militärisch erreichen? Welche taktischen Probleme der Israelis können auf welche Weise gelöst werden? Und welche operativen und strategischen Konsequenzen wird die Offensive haben, welche von der politischen Führung in ihrer längerfristigen Kontextualisierung und Planung berücksichtigt werden müssen?

Versucht man, sich diesen Themen mit all ihren aus humanitärer Perspektive erschreckenden Implikationen anzunähern, muss man wohl vor allem sechs Punkte berücksichtigen:

1. Zur militärischen Performance der Hamas gibt es mittlerweile eine Reihe von Untersuchungen (s.u.), welche zum einen darauf hinweisen, dass sich die Organisation in den letzten Kriegen mit Israel durchaus deutlich weiterentwickelt und ihre Effektivität deutlich gesteigert hat. Dies betrifft neben der Quantität und teilweise Qualität (Reichweite, Genauigkeit) der ihr zur Verfügung stehenden Raketen vor allem auch Verbesserungen in den Fähigkeiten im infanteristischen Kampf und der Nutzung von Tunneln und vorbereiteten Positionen in urbanem Gebiet. Verloren die IDF während der Operation „Cast Lead“ (2009) beispielsweise in 22 Kampftagen lediglich zehn getötete Soldaten, waren es während „Protective Edge“ (2014) in 51 Tagen bereits 66 (gegenüber über knapp 650 Hamas-Kämpfern und fast 1.500 palästinensischen Zivilisten).

Neben der externen Unterstützung durch Iran oder Qatar profitierte die Hamas dabei von ihrer resilienzstärkenden straffen Organisation, ihrem intensiven Training und der gezielten Mobilisierung ihrer lokalen Unterstützer im Gaza-Streifen. Gleichwohl war sie im Bereich der Panzer- und Flugabwehr wenig erfolgreich. Angesichts der waffentechnologischen Überlegenheit der IDF inklusive ihren intensiven Aufklärungsbemühungen, und der in den vergangenen Konflikten deutlich geringeren Mobilisierung (sowie einer deutlichen Scheu, Reservisten in Gaza einzusetzen) dürften die Israelis trotz der Nachteile des Kampfes im urbanen Raum (inklusive einer wohl weitestgehend israelfeindlichen Bevölkerung), der infrastrukturellen Vorbereitung der Hamas und der fanatischen Indoktrination der Hamas-Kämpfer den palästinensischen Milizen militärisch weiterhin deutlich überlegen sein.

2. Ein Angriff auf den dicht bebauten und besiedelten Gaza-Streifen wird zu intensiven und schweren Häuser-, Straßen- und Tunnelkämpfen führen, welche üblicherweise dem Verteidiger Vorteile bringen und beide Seiten hohe Verluste kosten. Die Hamas soll sich insbesondere auf ein weitverzweigtes Tunnelsystem von geschätzt rund 500 Kilometern Länge stützen können, das ihren Kämpfern Rückzugsräume, Kommandozentralen, Versorgungsbasen und Wege für Überraschungsangriffe bietet. Auch die verschleppten Geiseln können dort versteckt werden. Während ein Teil des Systems sicherlich bereits Ziel der israelischen Luftwaffe geworden ist, wird es eine zentrale Aufgabe der Bodentruppen sein, diese Tunnel ausfindig zu machen und sie zu zerstören, evtl. nach vorangegangener Durchsuchung zum Auffinden der Geiseln, mit entsprechend schrecklichen unterirdischen (Nah-) Kämpfen.

Allerdings gibt es bei den zahlenmäßig und technologisch weit überlegenen IDF mittlerweile umfangreiche Erfahrungen und spezialisierte Verbände für diese Aufgaben. Zudem gibt es eine Reihe historischer und aktueller taktischer Vorbilder für eine erfolgreiche Bekämpfung von Tunnelsystemen, etwa aus dem Vietnam- oder Afghanistankrieg sowie technologische Neuerungen, welche diese erleichtern. Zu letzteren gehören beispielsweise neben Boden-/Georadrar zur Identifikation unterirdischer Anlagen (wie in Archäologie und Geologie) auch spezielle bunker buster-Bomben aus US-Produktion, welche die Luftwaffe gegen Tunnel einsetzen kann, sobald sie lokalisiert sind.

Ebenso könnten thermobarische (Vakuum-) Bomben, die von den russischen Truppen gegen die Ukraine (und mittlerweile auch umgekehrt) eingesetzt werden und die es außer in Form von Artilleriemunition auch in Ausführungen für den infanteristischen Einsatz gibt, etwa aus bulgarischer oder südkoreanischer Herstellung. Solche Vakuumbomben setzen bei ihrer Zündung Brennstoff als Aerosol frei, welches sich gleichzeitig oder durch eine zweite Zündung entzündet. Die Wirkung der daraus resultierenden Hitze- und vor allem der doppelten Druckwelle (durch die eigentliche Explosionswelle und die unmittelbar anschließende, umgekehrte Sogwirkung infolge des durch die Verbrennung des Aerosols entstehende Vakuum) wirkt in geschlossenen Räumen deutlich stärker als etwa herkömmliches TNT und ist daher ein zunehmend genutztes Instrument zur Bekämpfung von Besatzungen von Bunkern, Befestigungen oder eben Tunneln. Ihr Einsatz ist trotz der horrenden Wirkung auf den menschlichen Körper, v.a. die Lunge und die inneren Organe, rechtlich schwierig, jedoch wohl nicht per se völkerrechtswidrig. Israel scheint seit längerem über solche Waffen zu verfügen

Weitere Alternativen, wie etwa der in der Vergangenheit bereits von Ägypten gegen Hamas-Tunnel oder von Russland gegen verschanzte ukrainische Kräfte praktizierte Einsatz von Tränengas, oder das Überfluten unterirdischer Anlagen, etwa mit Abwässern, oder ihre Versiegelung mit Zement dürfte aus völkerrechtlichen Gründen bzw. angesichts der weitreichenden Zerstörung der Infrastruktur nicht akzeptabel oder praktikabel sein.

Für die Israelis wird es zur Minimierung ihrer eigenen Verluste wohl auch darauf ankommen, zu verhindern, dass in der Unübersichtlichkeit des Häuserkampfes IDF-Soldaten von der Hamas gefangen genommen und wie palästinensische Zivilisten und israelische Geiseln als Schutzschilde verwendet werden. Gelingt es, das Risiko von Kollateralschäden einigermaßen überschaubar zu halten, dürften sie vermehrt auf Taktiken zurückgreifen, welche nach dem Muster der US-Truppen im Irak ihre überlegene Feuerkraft ausspielen und Nahkämpfe vermeiden, etwa dadurch, dass Häuser oder Häuserblocks nicht gestürmt und Raum für Raum freigekämpft, sondern abgeriegelt und dann von Panzern und Artillerie zerstört werden.

3. Trotz der immensen taktischen Herausforderungen und der zu erwartenden hohen Verluste (auf beiden Seiten) ist das eigentliche Problem der Israelis – eine nicht unerhebliche, aber in der gegenwärtigen Situation zu erwartende Verlusttoleranz bei den IDF vorausgesetzt – weniger ein genuin militärisch-technisches als vielmehr ein politisch-moralisches, und dies aus zwei Gründen:

Erstens ist diese Auseinandersetzung ist nicht zuletzt ein Informations- und Propagandakrieg um die öffentliche Meinung in der Region und der Welt, wie am Beispiel des Beschusses des Al-Ahli-Krankenhauses in Gaza deutlich wird, der u.a. von den IDF und westlichen Geheimdiensten als „friendly fire“ des Islamischen Dschihad und von propalästinensischen Medien ebenso wie die Bombardierung Gazas an sich als übliche perfide Gräuel- und Rachetat der Israelis interpretiert wird. Die zu erwartende weitgehende Zerstörung von Gaza-Stadt und des umliegenden nördlichen Gaza-Streifens sowie eine horrende Zahl von insbesondere zivilen Opfern unter der verbleibenden palästinensischen Bevölkerung dürften ganz im Sinne der „lawfare“-Methodik der Hamas („weaponization the law“) Wasser auf die Mühlen antiisraelischer und antisemitischer Gruppen und Bevölkerungen in der ganzen Welt sein und auch bei den westlichen Unterstützern Israels zunehmend innenpolitischen Druck erzeugen, die israelische Regierung zu stoppen, von der Angst vieler Regimes in der arabischen Welt vor der „Straße“ ganz zu schweigen. Dies dürfte relativ schnell zu massivem Druck und zu einer relativen Isolation Israels führen, was sich trotz aller anfänglicher Entschlossenheit wiederum bremsend auf die Militäroperationen auswirken könnte.

Zweitens agieren beide Seiten unter verschiedenen Vorzeichen, was die „rules of engagement“ anbelangt: Während von der Hamas angesichts ihres proklamierten und unter Beweis gestellten Ziels, Israel und möglichst viele Juden zu vernichten, wohl niemand ernsthaft eine Einhaltung des humanitären Völkerrechts erwartet, stehen die IDF von der öffentlichen (Welt-) Meinung und dem eigenen Selbstbild her vor der Herausforderung, diesem so weit wie möglich tatsächlich gerecht zu werden. Auch wenn es dabei zweifellos zu Versäumnissen und Fehlern – wie etwa der mittlerweile wieder gelockerten unterschiedslosen Blockade des Gaza-Streifens – kommt, ist es offensichtlich nicht so, dass die IDF wahllos oder gar absichtlich Zivilisten im Gaza-Streifen tötet; ansonsten wäre es viel einfacher, die Feuerkraft der israelischen Streitkräften dazu zu nutzen, um Gaza in tatsächlichen, unterschiedslosen „Flächenbombardements“ dem Erdboden gleichzumachen und einen wirklichen „Genozid“ zu begehen. Dass hier bezüglich etablierter Prinzipien des humanitären Völkerrechts wie der ständigen Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten (Hamas-Kämpfer tragen keine Uniform, und ihre Stellungen befinden sich offensichtlich häufig in eigentlichen zivilen Anlagen), der militärischen Notwendigkeit, der Kollateralschaden-Regel oder der Verhältnismäßigkeit mit zweierlei Maß gemessen wird, führt letztlich zu einer deutlichen Einschränkung des Handlungsspielraumes der IDF zugunsten der Hamas, was zu erschwerten Chancen taktischen Erfolgs und zu höheren Verlusten der Israelis führt.

4. Unabhängig vom Ausgang einer Großoffensive gegen Gaza durch Bodentruppen besteht eine unmittelbare hohe Eskalationsgefahr, ausgenommen möglicherweise den höchst unwahrscheinlichen Fall, dass etwa die Kämpfe extrem schnell enden, sei es durch einen Überraschungserfolg der IDF, sei es durch einen Rückzug oder Zusammenbruch der Hamas. Kampf und potenzieller Untergang der Hamas im Zusammenspiel von Fernseh- und Social Media-Bildern von vielen zivilen Opfern könnten die Hisbollah zum Eingreifen zwingen, um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren, und im Westjordanland sind Aufstände gegen die Besatzungsmacht sehr wahrscheinlich, auch in Folge der zunehmenden gewaltsamen Übergriffe jüdischer Siedler gegen die palästinensische Bevölkerung. Unterstützt werden könnten sie von iranischen Verbänden der Revolutionsgarden in Syrien und proiranischen Milizen in anderen Ländern der Region, auch wenn der Iran bislang mit dem Verlauf der Krise durchaus zufrieden sein kann. Nicht zuletzt ist zu erwarten, dass eine weitere militärische Eskalation auch Anschläge und Übergriffe gegen Juden und Jüdinnen sowie jüdische Einrichtungen in aller Welt noch wahrscheinlicher macht.

5. Ein nachhaltiger Erfolg auch einer militärisch sehr erfolgreichen israelischen Offensive hängt von der langfristigen politischen und sozioökonomischen Perspektive für Gaza und die besetzten Gebiete an. So hat der israelische Verteidigungsminister Gallant den Plan der Regierung skizziert, in drei Phasen vorzugehen: zunächst soll die Hamas militärisch entscheidend geschlagen, dann mit niedriger Intensität verbleibender Widerstand beendet und schließlich ein „neues Sicherheitsregime“ eingerichtet werden, zu dem auch gehört, dass sich die Israelis wieder aus dem Gaza-Streifen zurückziehen.

Bislang gibt es keine konkreten Visionen der israelischen Führung, wie ein solches Regime aussehen soll. Theoretisch naheliegend wäre eine umfassende Friedensinitiative mit Unterstützung des Westens und der Vereinten Nationen, vielleicht sogar auch der Volksrepublik China. Angesichts der aufgeladenen Stimmung, Bedrohungswahrnehmungen und Feindbilder unter den direkt und indirekt beteiligten Staaten und Gesellschaften der Region erscheint dies schwierig bis unmöglich. Alternativ ist ein internationales Engagement für den Gaza-Streifens nach dem Muster des Kosovo nach 1999 vorgeschlagen worden. Allerdings setzt dies tatsächlich eine Kooperation der Großmächte im Sicherheitsrat ebenso voraus wie die materielle und ideelle Unterstützung durch die arabischen Staaten und Israel selbst.

Die Vorstellung, ein dann ungefährliches Gaza zu ignorieren und faktisch völlig zu isolieren, war bereits die Grundidee Ariel Sharons beim israelischen Rückzug von 2005 und hat sich ganz offenbar nicht bewährt. Ob jedoch eine durch die Ultraorthodoxen und Siedler radikalisierte und traumatisierte israelische Regierung und Gesellschaft zu einem echten Engagement für ein Post-Hamas-Gaza bereit sein wird, ist wie die Frage nach einer Friedenslösung mit den Palästinensern insgesamt vor allem eine ausgesprochen unsichere Problematik der zukünftigen israelischen Innenpolitik.

6. Der aktuelle Gaza-Krieg wird insbesondere bei einem klaren Sieg Israels über die Hamas ohne entsprechende friedensdiplomatische Ergänzung gravierende, langfristige strategische Veränderungen nach sich ziehen. Für die iranische Führung würde mit dem Wegfall (mindestens) eines proxys gegen Israel die Attraktivität eigener Nuklearwaffen noch weiter steigen; andere Staaten mit Führungsambitionen in der Region oder einer Bedrohungswahrnehmung gegenüber Teheran würden wohl nachziehen, etwa Saudi-Arabien, die Türkei oder Ägypten. Das würde einen massiven Schlag gegen das globale nukleare Nonproliferationsregime bedeuten.

Auch die Fortführung des Friedensprozesses zwischen Israel und den arabischen Staaten ist fraglich. Eine insgesamt instabilere Region wäre aber nicht nur potenzieller Schauplatz neuer Kriege, sondern auch einer sich verschärfenden Konkurrenz insbesondere zwischen externen Akteuren wie Russland, China und den USA, die im zerrissenen Nahen Osten mehr denn je ihre Klientel- und Stellvertreterstaaten finden würden. Dies würde ebenfalls zur Destabilisierung der internationalen Beziehungen beitragen.

Was folgt aus diesen Punkten? Einerseits dürfte klar sein, dass eine umfassende israelische Offensive des israelischen Heeres im Gaza-Streifen einen hohen Blutzoll fordern wird, der auch für den nicht unmittelbar betroffenen Rest der Welt schwer zu ertragen und zu heftigen politischen Reaktionen führen wird. Andererseits können die IDF die ihr von der Politik gestellten Aufgaben militärisch zweifellos erfüllen, wenn eben diese politische Führung und die israelische Öffentlichkeit einen entsprechenden Durchhaltewillen an den Tag legen – was nicht zuletzt auch deshalb der Fall sein könnte, weil die Regierung Netanyahu aufgrund des sicherheitspolitischen Versagens vom 7. Oktober auch innenpolitisch praktisch mit dem Rücken zur Wand steht.

Mit einem Sieg über die Hamas ist aber noch lange nicht das genuin politisch-strategische Problem des Gaza-Streifens oder gar das der besetzten Gebiete gelöst, auch wenn dann im besten Fall die unmittelbare Gefahr von dort gebannt sein mag. Zusätzliche, auch militärische Gefahren bestehen zudem von Seiten der Hisbollah, des Iran, Syriens und anderer Staaten und Gruppen in der Region, selbst dann, wenn es nicht zu einer unmittelbaren Eskalation des Konfliktes kommt. Insbesondere die Reaktion des Iran kann im Hinblick auf die nukleare Proliferation und ihre Domino-Wirkung weit über die Region hinausgehende Folgen zeitigen. Sobald die Gaza-Operation ihren militärischen Abschluss gefunden hat, ist es daher eine vordringliche Aufgabe der westlichen Diplomatie, Israel und seine Nachbarn zu neuen Initiativen zur Stabilisierung des Nahen Ostens, insbesondere durch eine effektive Zwei-Staaten-Lösung für Palästina bzw. die flächendeckende Anerkennung des Existenzrechts Israels zu drängen.

Literatur/Links

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